Hurra Hurra, eine Box!
Seit es DSA Hardcover Bände gibt, muss ich gestehen, ich bevorzuge diese Variante. Dessen war ich mir jedenfalls sehr sicher. Wie habe ich es früher gehasst, wenn meine schönen Boxen an den Ecken einrissen oder sich jemand tölpelhafter Weise drauf gesetzt hat und aus der Box ein platt gedrücktes Stück Pappe machte. Und die Softcover Bände, die sie enthielten... In einer Zeit, in der man Gareth auf drei Seiten beschreiben konnte und das schon als ausführlich galt, waren die Hefte noch geklammert, spätestens mit DSA 3 jedoch hielt die Leimbindung Einzug in unsere Boxen. Warum ich jetzt darüber lamentiere, wie die Regelwerke gebunden waren, wird vielleicht den Leuten, die ihre DSA 4.0 Helden mit "Aventurische Helden" erschaffen haben klar sein: ein intensiv genutztes Buch mit Leimbindung neigt dazu Seiten zu verlieren. Aber um es kurz zu machen, ich war eigentlich nie ein großer Freund von Boxen. Dachte ich.
Als dann die Zeit verstrich und nach etlichen Jahren wieder eine Box auf den Markt gebracht wurde, merkte ich jedoch wie mir mein Herz aufging. Denn, eine Box hat den großen Vorteil, dass man alles, was man mit dem Inhalt assoziiert hinein stecken kann und es nicht plötzlich aus dem Bücherregal flattert, wenn man das benachbarte Buch herauszieht. Von eigens hinzu gefügten Inhalten einmal abgesehen, bietet eine Box aber auch Platz für Spielhilfen, die das Leben eines Spielleiters deutlich erleichtern können. Noch dazu kann man fast davon ausgehen, dass es in einer Box mehrere Softcoverbände gibt, die zwar schneller verschleißen mögen, jedoch leichter in der Tasche zu tragen sind. Außerdem muss man kein 200 Seiten starkes Buch mit sich rum tragen, von dem man an diesem Spielabend nur ca. 20 Seiten nutzen möchte.
Alles in allem erinnerte ich mich wieder an die guten Zeiten mit meinen Boxen und war in nahezu nostalgischer Euphorie, als ich mich dazu entschloss mir die "Dunkle Zeiten" - Box zu holen.
Als ich sie endlich in Händen hielt und das vertraute Knarren hörte, dass entsteht, wenn der untere Teil der Box langsam aus dem Deckel heraus rutscht, war ich sehr aufgeregt und neugierig was mich erwarten würde. Ich will ja nun hier nicht "Die Dunklen Zeiten" rezensieren, daher fasse ich mich kurz.
Vom reinen Inhalt her, kann ich auch nur wenig Schlechtes sagen, es war alles vorhanden, was man brauchte um in dieser Zeit spielen zu können, Informationen über die beiden größten Reiche, die damals existierten, eine Regelergänzung, bzw. Abwandlung, die es ermöglichte passende Helden zu spielen und jede Menge Karten. Außerdem natürlich ein knapper Abenteuerband und als Einstimmung einige Kurzgeschichten.
Ich wurde nur leider das Gefühl nicht los, dass die Box mit der heißen Nadel zusammengestrickt war. Das Erste, das mir auffiel: Kein Index. Ich bezweifle, dass ich die einzige bin, die dieser Umstand etwas Kopfzerbrechen machte. Und dann begann ich mir die Hefte genauer anzuschauen, die sich in dieser Box befanden. Meine Augen schweiften über die Texte und dann natürlich auch über die Illustrationen. Mir mag eine gewisse Übertreibung an dieser Stelle verziehen sein, aber ich hatte den Eindruck, dass man für die gesamte Box etwa 5 Bilder gefertigt hatte, die sich immer und immer wieder wiederholten. Ich weiß, manch einem mag das vorkommen, wie Jammern auf hohem Niveau, aber es kratzte mich doch.
Alles in allem, empfand ich die Box zwar nicht als Enttäuschung, aber meine Euphorie war doch deutlich gedämpft. Hatte ich meine alten Boxen am Ende doch zu sehr glorifiziert?
Hmmmm... Noch ne Box
Nun ja, als ich also mitbekam, dass es noch eine Box geben sollte, war ich weniger überschwänglich. Immerhin, die Box sollte 'Gareth' heißen. Das schließlich war für mich das entscheidende, denn ich gestehe, ich kann an nichts vorbei gehen, das den Namen der Kaiserstadt trägt. Ob es sich wohl um eine reine Neuauflage von "Stolze Schlösser, dunkle Gassen" handeln würde, ergänzt um ein paar Sätze neuerer Geschichte? Ich habe mich bewusst im Vorhinein von jedweden Informationen darüber ferngehalten, denn ich wusste, ich würde sie eh kaufen und ich wollte unvoreingenommen entscheiden, was ich davon halten würde.
Und dann saß ich wieder vor einer neuen Box und erneut ließ ich den Deckel langsam aufgleiten. Was erwartete ich mir von einer Box mit dem stolzen Namen der größten Stadt Aventuriens? Eines war klar: ich wollte eine neue Karte sehen. Denn die Karte von Gareth, die nach "Jahr des Feuers" die aktuellste war, hatte ein entscheidendes Problem. Die Trümmer der abgestürzten Feste Kholak-Kai waren überaus lieblos auf die Karte drauf gesetzt worden. Mir fällt kein besseres Wort dafür ein. Es wirkte einfach nicht wie ein Teil der Karte, sondern ein bisschen, als hätte jemand was darauf verkrümelt und sie dann nicht abgeschüttelt. Ich habe in diesem Forum Leute gesehen, die das wahrscheinlich innerhalb von zehn Minuten deutlich besser hinbekommen hätten. Aber dies war nun die offizielle Karte, mit der wir leben mussten.
Ansonsten erwartete ich nicht viel mehr als eine aktuelle Stadtbeschreibung, wie schon gesagt, ich hatte Abstand genommen, von zu hohen Erwartungen.
Erleichterung
Und ja, ich war besänftigt, als ich die schöne, riesige neue Karte vor mir ausbreitete. Wenn man sich jahrelang die furchtbare Vorgängerkarte angesehen hat, bemerkt man durch aus, dass diese hier nicht komplett neu gezeichnet wurde, aber die Trümmer wurden, sagen wir mal, "eingepflegt". Jetzt harmonieren sie mit dem Stil der eigentlichen Karte und wirken nicht mehr wie daran haftende Fremdkörper. Wobei mir einfällt: sie ist übrigens so beschichtet ist, dass man gefahrlos ein Glas klebrige Cola auf ihr ausschütten kann, ohne Flecken, Wellen oder dergleichen fürchten zu müssen, wie ich in einem gnadenlosen Selbstversuch erfahren konnte.
Nett ist, die Karte hat zwei Seiten. Auf einer Seite befindet sich einfach der Stadtplan, ein Abbild der Straßen, Gassen und unmittelbaren Umgebung. Was der Unterschied zur anderen Seite war, war mir ehrlich gesagt nicht sofort klar. Ich drehte sie erst ein paar mal hin und her, bis mir die kleinen Zahlen und Buchstaben auffielen, die sie unterschied. Ich bin daran gewöhnt, dass diese kleinen Bezeichnungen, zu deren Entschlüsselung man in der Regel die dazugehörige Spielhilfe benötigt, sich auf einem kleineren schwarz- weiß Plan befinden. Das ist bei einer Stadt dieser Größe auch sehr praktisch, denn die Karte auf A4 Größe zu verkleinern, könnte schnell unübersichtlich werden.
Ich breitete den weiteren Inhalt vor mir aus. Vor mir lagen nun drei erstaunlich dicke Softcover Bände, die bereits erwähnte Karte, ein Index (WHOOHOO!), ein Heft mit Kopiervorlagen und ein Aventurischer Bote, Garether Ausgabe.
Spiel und Spaß im Softcover
Das dünnste, aber immerhin doch gute 100 Seiten umfassende "Heft", trägt den Titel "Gassenhelden". Es ist ein Abenteuerband mit einer aus drei Abenteuern bestehenden Minikampagne, von der man die Abenteuer natürlich auch einzeln nutzen kann, einigen kleineren Szenarien und ein paar Tipps zum Meistern von Abenteuern in der Metropole. Die Abenteuer und Szenarien im einzelnen durchzugehen, wäre jetzt wohl ein bisschen viel, aber es lässt sich auf jeden Fall sagen, dass einige interessante Ideen verarbeitet wurden und man die Stadt auf diese Weise als Held sehr schön erkunden kann. Man mag da unterschiedlicher Auffassung sein, aber ich hatte den Eindruck, dass es auch für Einsteiger ein nettes Setting ist, sich mit Aventurien vertraut zu machen. Die Orte und Gruppen sind, wenn auch zahlreich, so doch überschaubar und man fühlt sich schnell heimisch, wenn der Held an diesen Geschehnissen teil hatte.
Auch die Hinweise für den Spielleiter sind, denke ich, auch für Frischlinge gut geeignet um sich mit dem Meistern ein wenig vertraut zu machen.
Das fast schon 200 Seiten starke "Im Herzen der Metropole", befasst sich mit der Geschichte Gareths, mit seinen Menschen und kulturellen Gepflogenheiten. Es ist in sich schlüssig gegliedert und lässt kaum Fragen offen, wie ein Garether die Dinge handhabt, ob es sich um einen Dieb oder ein Mitglied der "Garether Criminal-Cammer" handelt.
Dieser Band kann für Spielleiter eine enorme Hilfe sein. So ist fast jedes Gebäude oder Gruppierung mit nützlichen Informationen versehen. So z.B. wie schwer es ist in ein Gebäude einzudringen, sei es mit roher Gewalt, einbrecherischem Geschick oder mit der Kunst der Überredung. Es gibt sogar Angaben dazu, mit welchen Zinken (geheime Schriftzeichen der phexischen Gemeinde) ein Gebäude versehen ist. Einem Dieb bspw. Wird also schnell klar werden ob die Bewohner einem Bettler wohlgesonnen sind oder ob es eine Zeit gibt, zu der das Haus meist verlassen ist, vorausgesetzt natürlich er ist der Deutung der Zinken mächtig.
Auch Personen sind mit umfangreichen Informationen ausgestattet. Wie gesetzestreu, bzw. bestechlich er ist, unter welchem Namen von ihm in der Unterwelt die Rede ist, wie wohlhabend er ist und im Grunde wie geeignet er ist den Helden das Leben schwer oder leicht zu machen. Manch einer mag sich von so viel Vorgegebenem gegängelt fühlen, aber ich würde es an dieser Stelle handhaben, wie man es fast immer tut: Übernehmen, was einem gefällt und in das eigene Spiel passt und weglassen, was man nicht benötigt. Ich finde es aber nett, dass es diese Dinge überhaupt gibt.
Der Geschichtsabriss ist detailliert genug um einiges Interessantes zu lernen und kurz genug um nicht das halbe Buch zu füllen. Nett fand ich die drei Karten aus den Jahren 750 - 600 BF, der Zeit der Priesterkaiser und zu Zeiten Kaiser Eslam V. Da kann man mal sehen, dass auch die größte Stadt des Kontinents klein angefangen hat.
Hinten in diesem Band gibt es eine hübsche Auswahl an Zufallstabellen. Zufallstabellen fand ich schon immer klasse. Man zieht sie heran, würfelt (hier in Abhängigkeit davon wo in der Stadt man sich befindet) und wenn der Würfelgott den Helden gewogen ist, begegnen sie auf der Straße einer jungen Rahjageweihten, die ihre Art von Segen unter die Leute bringt. Solche Würfeltabellen, fand ich aber vor allem immer interessant, um Anregungen zu bekommen und so ein lebendigeres Stadtbild präsentieren zu können. Es muss ja nicht immer der Zufall sein, der eine Begegnung bewirkt.
Schließlich gesellt sich zu den beiden ersteren Bänden noch, das mit 245 Seiten, dickste Buch "Goldene Dächer, Düstere Gassen".
Dieser Band enthält zu jedem Stadtteil eine ausführliche Beschreibung, wie sie in anderen Regionalbänden ganze Städte erhalten. Praktisch ist, dass es immer den Kasten "Für eilige Leser" gibt, den wir auch schon aus anderen Regelwerken kennen. Wenn man mitten im Abenteuer ist und aus irgendeinem, völlig unerwarteten Grund (meiner Erfahrung nach, neigen Spieler zu solch unerwartetem Verhalten), die Frage auftaucht ob dieser Teil der Stadt über eine Kanalisation verfügt, will man ja nicht erst den ganzen Abschnitt lesen. Zu den Informationen, die dann im Fließtext zu erhalten sind, gehört dann auch welche Organisationen hier ihren Sitz haben, welche besonderen Orte es gibt oder wer hier interessantes wohnt. Jene Menschen, Gebäude und Orte, sind dann wiederum ausgestattet mit der bereits oben erwähnten Fülle an Angaben bezüglich verschiedener Eigenheiten.
Was sonst noch so drin steckt
Der erwähnte Aventurische Bote, Garether Ausgabe, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als Zusammenstellung mehrerer solcher. Die einzelnen Ausgaben sind jeweils zwei Seiten lang, stammen aus unterschiedlichen Jahren und bieten Anreize für Abenteuer oder bieten Handoutmaterial zu den Abenteuern aus "Gassenhelden". Obwohl ich sagen muss, dass dieses "Heftchen" für mich wenig mit dem eigentlichen Aventurischen Boten zu tun hat, finde ich die Idee durchaus nett.
Was ich wirklich als praktische Beigabe betrachte ist das Heft mit den Kopiervorlagen. Es nervt einfach, wenn man ein Abenteuer auf die Fläche eines Kopierers oder Scanners drückt, nur um dann doch diese unschönen Schattenränder zu haben und sich den Buchrücken des entsprechenden Bandes endgültig zerstört hat.
Außerdem tummeln sich hier Archetypen von Standardbegegnungen in spielbaren Werten. Das ist vor allem praktisch, wenn man mal die klassische Kneipenschlägerei ins rechte Licht rücken will oder einer der Helden gerade einem Gardisten blöd kommt.
Also braucht man das jetzt oder nicht?
Die Gareth Box hat leider ein großes Manko, dass sich auch mit noch so viel positiven Eigenschaften nicht wegdiskutieren lässt: Sie behandelt ausschließlich die Stadt Gareth. Jemand der diese Stadt nicht intensiv bespielen möchte oder nicht schon immer großes Interesse an der Kaiserstadt hatte, für den bleibt es eine zu große Investition. Jemand für den Gareth mal ein netter Zwischenstopp ist, der ist sicher besser beraten sich seine Informationen aus einer anderen Spielhilfe zu beschaffen, die mehr umfasst, bspw. "Herz des Reiches".
Nichts desto trotz, ist es eine sehr umfangreiche Spielhilfe, die mit ihrer Detailfülle dafür sorgt, dass man jede Facette dieser Großstadt erleben kann. Stellt sich die Frage ob es nötig ist, eine ganze Box zu dieser Stadt zu veröffentlichen.
Ich denke, wenn es eine Stadt gibt, bei der man das machen kann, dann Gareth, denn einzelne Stadtteile sind hier so groß wie manche andere Stadt. Zudem gibt es fast nichts, was es in Gareth nicht gibt und diesem Umfang wird diese Box auf jeden Fall gerecht. Ob man selbst diesen Umfang benötigt, das muss jeder selbst entscheiden.
Ich kann abschließend jedenfalls festhalten: Ich hatte lange nicht mehr so viel Freude an einer Spielhilfe. Die Box ist übersichtlich gestaltet, vollgestopft mit Informationen und es gibt eine neue Karte. Die Regeln zum Häuserlauf, die hier vorgestellt werden, sind im Ansatz interessant, letzten Endes aber Geschmacksache, da sie mir für eine actionreiche, schnelle Situation ein wenig umständlich erscheinen.
Eine Warnung sei noch ausgesprochen: Es wird in den beiden Hintergrundbänden kaum zwischen Meisterwissen und Spielerwissen unterschieden. Man sollte sich also entweder mit seinem Spielleiter absprechen, welchen Absatz man vielleicht doch besser links liegen lässt und was man sich ohne Probleme zuführen kann.
Ich habe eh ein bisschen das Gefühl, die Box ist vor allem etwas für Spielleiter, denn sie enthält allerlei Nützliches für diesen und man mag dem Aventurier unterstellen, dass er nie so viel Wissen über die Stadt anhäufen könnte, selbst wenn er sein ganzes Leben dort verbracht hat. Man kann natürlich auch als Spieler das was man braucht um den Garether schlechthin zu spielen aus dies Box entnehmen, ich bin nur der Auffassung, in dem Fall tun es auch andere Quellen.
In einem Satz: Wenn Gareth für euch schon immer interessant war und/oder lächerliche 20 Seiten Informationen zu wenig, dann kann ich die Box ruhigen Gewissens empfehlen, ansonsten ist die Investition etwas zu groß.
Liebe Grüße und bis zum nächsten Mal, Eure Kryzten
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