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von Michael Kusserow – Fotos von Sophie Böhme
Nach dem Riesenerfolg von „Drakensang“ waren wir für euch im schönen Berlin bei den Machern des Erfolgstitels, wo sie uns Rede und Antwort standen. Radon-Labs-Mastermind Bernd Beyreuther und Chef-Game-Designer Fabian Rudzinski nahmen sich für uns Zeit und sprachen mit uns über die Veränderung die der Erfolg mit sich brachte, Dinge, die man gern anders im Spiel gehabt hätte, natürlich Einiges zum Nachfolger dem Prequel „Am Fluss der Zeit“ und noch vieles Mehr wurde im lauschigen Studio von Radon Labs besprochen, wie immer in angenehmer Atmosphäre.
WOD: Als erstes möchte ich wissen, welchen kulturellen Background ihr genießt und inwieweit da etwas bei „Drakensang“ eingeflossen ist, zum Beispiel welche Musik ihr gerne hört und inwieweit etwa Vorlieben für klassische Musik Einfluss bei „Drakensang“ genommen hat, Bücher, Filme, Serien und so weiter! Erzählt also ein bisschen was über Euch!
Bernd: Ich persönlich bin jemand, der wenig Musik hört – ich muss nicht ständig im Autoradio oder im Kopfhörer Musik haben. Aber wenn ich welche höre, dann erlebe ich das daher sehr intensiv.
Wir haben bei „Drakensang“ versucht, die Musik sehr romantisch zu gestalten. Das ist ein Aspekt, der einen großen Teil von mir reflektiert. Ich habe immer die Romantiker geliebt, sowohl in der Literatur, als auch in der Malerei. Die dicke Ludwig Richter Komplettausgabe war ein wichtiges Produktionswerkzeug. Das merkt man im Spiel z.B. bei den romantischen Locations.
Auch bei der Musik wollten wir uns an die Klassiker anlehnen, also z.B. Wagner und nicht aktuelle Fantasymusik. Es ist jetzt nicht so, dass ich privat jemand bin, der dauernd klassische Musik hört, aber die Sachen, die wir versucht haben im Spiel darzustellen, sind mir recht nah und vertraut. Also ich mag alte Filme, alte Musik, ich mag alte Bücher (lacht)...
WOD: Was für alte Filme zum Beispiel?
Bernd: Beispielsweise alte DEFA-Märchenfilme. Ich mag die Chaplin-Klassiker. Das ist eine Art und Weise Geschichten zu erzählen, die es heute so nicht mehr gibt. Gerade in den letzten Wochen habe ich da einige schöne Sachen wieder entdeckt, wo ich dachte: Mensch du, das ist großartig! Gerade... wie hieß dieser Hitchcock (blickt zu Fabian)... „Über den Dächern von Nizza“! Das ist hohe Kunst. Natürlich habe ich in meiner Vergangenheit ungefähr 150.000 Fantasy-Romane gelesen. Ich habe „Herr der Ringe“ gelesen, lange bevor der Film kam und die Klassiker der Science-Fiction-Literatur, Lem zum Beispiel, sprich: Schon das klassische Geek-Zeug. Heute lese ich sehr gern klassische Deutsche Literatur von Stifter über Möricke bis Storm.
WOD: Und Du Fabian?
Fabian: Ich bin ja sowieso ein Cineast und schaue eigentlich alles. Aber am liebsten mag ich Western, da gibt es ja auch einige Parallelen. (lacht)
WOD: Und welche Western guckst Du gerne, klassisch John-Wayne-Western, oder...?
Fabian: Nein, mehr die Morricone-Western, also Italo-Western. Da haben wir uns ja auch inspirieren lassen, bei der Quest „Für eine handvoll Dukaten“ zum Beispiel.
WOD: Du meinst zum Beispiel den Showdown auf dem Steg?
Fabian: Ja, das musste einfach sein. Oder auch was Bernd gesagt hat: „Über den Dächern von Nizza“ lieferte uns mit der wahren Katze, der Französin, die Vorlage für Kladdis.
WOD: Mal eine theoretische Frage. Wenn es Aventurien wirklich geben würde, wo würdet ihr dann am liebsten leben?
Fabian: Im Horas-Reich! (lacht)
Bernd: Weil es da so warm ist oder wie?
Fabian: Ja, da hätte ich Spaß!
Bernd: Ich muss kurz überlegen. Ferdok ist mir ein bisschen zu flach, aber in der Ecke würde es schon in etwa sein. Vielleicht würde ich eher in Angbar oder Albenhus wohnen, also schon in einer kleineren Stadt.
WOD: Und als was?
Bernd: Ich würde wahrscheinlich am Rande der Stadt wohnen, als Jäger, Waldläufer… so in diese Richtung.
Fabian: Ich mag die Streuner und Schurken sehr! (lacht)
WOD: Jetzt mal mehr zum Spiel selbst. „Drakensang“ war ja nun eines der erfolgreichsten PC-Spiele 2008 in Deutschland. Habt ihr mit dem Erfolg gerechnet, den das Spiel jetzt letztendlich hat?
Bernd: Es wäre schon ein wenig enttäuschend gewesen, wenn es nicht so gekommen wäre, weil im Vorfeld das Feedback schon sehr gut war. Und wenn es nicht so erfolgreich gewesen wäre, dann würden wir jetzt nicht so fröhlich plaudern. (lacht) Dann säßen wir jetzt wesentlich grimmiger hier. Mit so einem Erfolg rechnen darf man aber nicht.
Das Drakensang jetzt auf Platz 1 einstieg – das ist schon was Besonderes! Da ist eine große Anspannung von uns abgefallen.
Jetzt müssen wir noch schauen, ob das auch im Ausland läuft.
Fabian: Ich glaube, man darf sich vorher gar nicht so viele Gedanken darum machen. Man plant, man gibt sein Bestes, bis man dann sagt: Hoffentlich sehen das die Spieler auch so. Jetzt ist die Freude darüber, dass es dann wirklich so funktioniert hat bei uns groß.
WOD: Ihr habt die Frage ja jetzt schon indirekt beantwortet, aber ich will es noch mal genau wissen, welche Auswirkungen hat der Erfolg von „Drakensang“ jetzt genau bei Euch? Hat sich irgendetwas bei Euch verändert?
Bernd: Es hat sich verändert, dass wir jetzt dran weiterarbeiten können. Wenn das nicht so gut gelaufen wäre, würden wir nicht am Nachfolger arbeiten. Und dann hätten sich sicher auch nicht andere Publisher mit dem Thema „Das Schwarze Auge“ auseinander gesetzt.
WOD: Darauf komm ich auch später noch zu sprechen, aber erst noch weiter zu „Drakensang“ selbst. Gibt es etwas, dass ihr gern eingebaut hättet, es aber nicht mehr ins Spiel geschafft hat? Vielleicht etwas Exemplarisches!
Fabian: Hmmm... da muss ich mal nachdenken. Ich hatte da was, aber irgendwie habe ich so ein bisschen mit der Sache abgeschlossen... (allgemeines Lachen)
Bernd: Man hat die großen Sachen, die früh auffallen und die es nicht mal ins Konzept schaffen. Wie etwa der kooperative Modus, den haben wir ja schon aus dem Konzept heraus geschmissen, bevor wir den Vertrag unterzeichnet haben. Das ist so eine Sache, die wir eigentlich gerne drin gehabt hätten. Das hätte aber den Rahmen völlig gesprengt. Es gab mal eine Reihe Locations, zu denen es eine Odyssee geben sollte, wo man eine Zeit unterwegs ist und auch ein bisschen weiter weggeht, als im jetzigen Spiel. Das wäre natürlich eine feine Sache gewesen, aber das ist schon vor zwei Jahren heraus geflogen.
Fabian: Wir haben noch ein paar Charakterklassen, wie z.B. Gaukler herausgenommen.
WOD: Aber mal generell die Frage, wie zufrieden seid ihr mit dem Spiel oder gibt es gar etwas mit dem ihr unzufrieden in dem Spiel seid?
Fabian: Sicher gibt es immer ein paar Sachen. Man ist nie mit sich selbst so zufrieden, dass man sagt: „Das ist perfekt!“ Aber für die Zeit, die man hatte, ist es eine runde Sache geworden. Als ich es dann in Ruhe mit ein bisschen Abstand gespielt habe, da hat es mir richtig Spaß gemacht und ich war dann auch wirklich zufrieden.
Bernd: Man kann es ja bei einer so langen Produktionszeit gar nicht richtig beurteilen, wie es dann ankommt. Ob es zu schwer ist, ob der Erzählbogen spannend oder langweilig ist. Ich kann sagen, dass es seit langem ein Spiel ist, das ich komplett durchgespielt habe. Das hat zwar lange gedauert, aber es hat mir wirklich Freude gemacht. Ein paar Macken hätte ich gern raus gehabt, einige erzählerische Ecken und ein paar spielerische Sachen wie Laufwege, die auch oft genug in Reviews genannt wurden. Da sind ein paar Längen drin, Haker und Balancing-Probleme, die ich nicht gesehen oder zu spät erkannt habe. Da haben wir aber noch beim Patch etwas geändert, soweit das ging. Wenn wir jetzt noch die Möglichkeit hätten, dann könnten wir es perfekt machen. Im Verkauf merken wir aber, dass die Leute es gerne spielen und die Macken verzeihen. Wir bekommen das Feedback, dass die Leute beim Spielen eine schöne Zeit haben und das ist ja das Entscheidende und der schönste Lohn.
Fabian: Wenn man zum Beispiel einen Text hat, findet man immer noch etwas, das man verbessern kann. Ich glaube, damit kann man auch nie aufhören. Aber irgendwann ist einfach der Tag gekommen, an dem er raus muss, ansonsten vergammelt er irgendwo in der Schublade...
Bernd: Der Namensgenerator zum Beispiel!
WOD: Ja, der war sehr witzig.
Bernd: Aber ist dir auch aufgefallen, dass keine horasischen Adelstitel vorkommen?
WOD: Nein, aber er hat trotzdem sehr viel Spaß gemacht.
Bernd: Der Namensgenerator macht Laune. Ich hatte mir den ganz zum Schluss noch einmal angeschaut.
Fabian: Ein Glück, dass wir den überhaupt noch mal angeschaut haben.
Bernd: Da fiel mir auf, dass die Adelstitel, die der ausspuckt, alles mittelreichische Adelstitel waren. Den Namensgenerator kann man also noch schön erweitern, auch wenn es ein Randfeature ist.
Fabian: Es gibt auch eine schöne Geschichte über den Namensgenerator. Der ist ziemlich früh im Spiel implementiert worden und da hat jemand Dummy-Namen hineingeschrieben. Wir waren eigentlich fertig und da guck ich noch mal bei den Elfen rein. Die Namen bestanden aus sämtlichen amerikanischen Großstädten – mit „ie“ geschrieben: Utahie, Miamie, Denverie... zum Glück ist das dann doch aufgefallen.(Lachen)
WOD: Das Spiel ist eines der bugfreisten Rollenspiele, die ich in den letzten Jahren gespielt habe. Wir habt ihr das hinbekommen?
Bernd: Die eine Komponente ist unsere interne Technologie Nebula, die wir schon bei vielen anderen Spielen benutzt haben. Diese Basis kann in sich nicht so viele Fehler haben, weil sie schon ganz oft eingesetzt und getestet wurde. Das andere ist, dass wir bestimmte Prozesse im Haus haben, die wir von noch vor zehn Jahren von Microsoft mitgebracht haben. Das sind ingenieurtechnische Abläufe, wie z.B. dass es jeden Tag eine Version gibt, ein bestimmter Umgang mit Bugs etc. Das sind organisatorische Sachen, die mit der Spieleproduktion selbst zu tun haben.
Man kann bei einem Titel nicht vorhersagen, wie lange es in einer Softwareschmiede dauert, die unvermeidlichen Bugs zu beheben. Wenn ein Entwickler einen Bug behebt, dann verursachen vielleicht drei behobene Bugs einen Neuen. Man macht also drei Schritte vor, einen zurück und man muss diesen Prozess die ganze Zeit verfolgen und muss dafür sorgen, dass alle Beteiligten über den derzeitigen Stand Bescheid wissen.
Fabian: Schön ist auch gewesen, dass wir es ohne Release-Patch geschafft haben relativ bugfrei zu veröffentlichen. Ich glaube, das hat in der letzten Zeit keiner geschafft.
Bernd: Rollenspiele sind deshalb besonders gefährdet, weil sie so komplex sind. Es dauert lange, solche Sachen zu testen. Wir haben am Schluss ungefähr einen Zyklus von einer Woche gehabt, um einen Release-Kandidaten zu bauen, von einer erklecklichen Anzahl von Leuten durchspielen zu lassen, die Bugs auszuwerten und zu beheben, eine neue Version zu bauen und diese dann wieder zu testen. Und dieser Prozess muss dutzende Male durchlaufen werden. Immer wieder, immer wieder und immer wieder. Es werden dann immer weniger Bugs und immer weniger Bugs und immer weniger Bugs.
...dies war der erste Teil des Interviews, der zweite wird nächste Woche Montag auf dieser Seite zu finden sein...