DSA-Drakensang.de:
Stell dich doch bitte einfach kurz vor.
Kevin:
Ich bin Kevin Mentz, ich bin leitender Gamedesigner und Autor bei Daedalic-Entertainmen und als solcher jetzt für Memoria verantwortlich, der Fortsetzung von Satinavs Ketten.
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Ihr sitzt jetzt noch an Blackguards, ihr habt an Memoria gearbeitet, dem Nachfolger von Satinavs Ketten. Habt ihr Blut geleckt, was die DSA-Welt betrifft? Warum habt ihr euch das jetzt so auf die Fahnen geschrieben?
Kevin:
Also offensichtlich haben wir Blut geleckt, was zum einen daran liegt, dass wir viele Leute in unseren Teams haben, die DSA-Spieler sind. Zum anderen ist es einfach sehr schön, mit einer fertigen Welt zu arbeiten, von der man weiß, dass es da schon Leute gibt, die sich dort heimisch fühlen. Und mir persönlich macht es immer sehr, sehr viel Spaß auf so einen Berg an Material zurückzugreifen, diese ganzen Regelwerke zu wälzen, viel zum Recherchieren zu haben und daraus dann irgendwie etwas Neues zu basteln. Das macht unglaublich viel Spaß und ist so ein bisschen wie ein Puzzle. Du nimmst da ein Fragment, baust dir da eine Location, suchst ein historisches Ereignis und versuchst es dann neu zu ordnen. Und zu wissen, dass es auch Leute gibt, die das kennen und zu schätzen wissen ist toll. Und dann noch mal einen Weg finden, wie man das noch mal frischer machen kann, wie es die Spieler noch nie zuvor gesehen haben, das ist eine Herausforderung, die mir sehr viel Spaß macht. Es macht auf eine ganz andere Art Spaß, als wirklich komplett was Eigenes zu entwickeln. Zum Teil macht es sogar an manchen Stellen mehr Spaß. Es macht einfach Spaß in der DSA-Welt Geschichten zu entwickeln.
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Was reizt euch daran, Adventures für DSA zu entwickeln, was ja ein Rollenspiel ist?
Kevin:
Vom Spielerischen her ist es ein Rollenspiel, aber DSA ist auch einfach ein System, in dem Geschichten erzählt werden. Es geht um Charaktere, der Spieler spielt Charaktere, der Spielleiter auch. Es ist im Grunde Rollenspiel, wenn wir jetzt die ganzen Zahlen, Werte und Attribute rausnimmt, ist ein Rollenspiel jetzt erst mal, dass ich mich in eine Figur reinversetze. Ich erschaffe einen Charakter und bin dann da drin. Ich fühle durch diesen Charakter durch eine Geschichte. So funktionieren eigentlich alle Geschichten. Adventures sind sehr geschichtslastige Spiele. Es sind halt Spiele, in denen du sehr viele komplexe Charaktere einführen kannst, du kannst vielschichtige Geschichten erzählen, mehr als in anderen Genres. Adventures ist eine Aneinanderreihung von Sonderfällen. Das heißt jeder Moment im Spiel kann eine Geschichte etwas anders weiter erzählen, ein bisschen besonderer. Während eben ein klassisches Rollenspiel eher kampflastig ist. Da geht die Geschichte dann doch etwas zurück. Wir wollten eine DSA-Geschichte erzählen, in diesem Point&Click-Adventure-Setting, die eben sehr viel stärker in der DSA-Welt, in den Charakteren und in den Ereignissen steckt, als es vielleicht in anderen Genres möglich wäre.
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Habt ihr mit der DSA-Redaktion zusammengearbeitet und wie sah die Zusammenarbeit aus?
Kevin:
Wir haben jetzt vor allem mit Hadmar Wieser zusammengearbeitet, der früher ja DSA-Redaktionsmitglied war. Der hatte sich mit dem ganzen Magierkrieg in der Gorischen Wüste auseinandergesetzt. Der hat eigentlich das entwickelt, worum es in der Geschichte auch geht. Das war eine große Schlacht gegen einen mächtigen Magier und gegen Dämonen, wo halb Aventurien mitgemacht hat und alle sind gestorben. Da muss man hin als Spieler. Man muss in diese Schlacht, weil man weiß, dass alle gestorben sind. Er hat Drakonia entwickelt, eine riesige Drachfestung in einem monumentalen Gebirge, in dem ein Kreis von Elementar-Magiern ihr eigenes Konzil gegründet haben. So vieles, was im Spiel drin ist, hat Hadmar entwickelt und wir haben dann mit ihm zusammengearbeitet. Er hat es dann bei Meetings zusammen mit der Redaktion und mit anderen ehemaligen DSA-Redakteuren eingetragen, mit denen darüber geredet und es ihnen erzählt. Vieles lief über Hadmar.
Und beim ersten Teil war es noch Mark Wachholz. Der war der Ex-DSA-Redakteur, der sich darum gekümmert hat. So kann man auch sagen, dass vielleicht auch die Vision davon, wie DSA ist, noch mal von den DSA-Autoren, mit denen wir gearbeitet haben, in unsere Spiele hineingeflossen sind. Deswegen ist Memoria auch ein bisschen ein anderes Spiel als Satinavs Ketten geworden.
DSA-Drakensang.de:
Wie sieht denn eure Erfahrung mit der DSA-Community aus?
Kevin:
Sehr gut. Ich hatte jetzt eben eine Präsentation hier auf der Messe, wo ein DSA-Spieler danach zu mir gekommen ist und noch mal persönlich gesagt hat, wie akkurat er „sein“ DSA, wie er es sich vorstellt, auch wiedergefunden hat. Und das haben wir sehr viel gehört. Ich lese theoretisch alles mit, was ich finden kann von DSA- und Adventure-Spielern und denke das alles durch. Also wenn ich dann Kritik finde, oder die Leute uns auch persönlich ansprechen, dann wägen wir immer ab, wie man das berücksichtigen kann. Zum Beispiel ein Kritikpunkt beim ersten Teil war der Anfang, der wurde als lahm wahrgenommen und es hat auch eine Weile gedauert, bis man so in die Geschichte kam. Man hat nicht so richtig erahnen können, in welche tragische Richtung die Geschichte so in der zweiten Hälfte geht. Und der zweite große Kritikpunkt vom ersten Teil war, dass das Ende sehr abrupt war und man so plötzlich aus der Geschichte geworfen wurde. Das haben uns viele Satinavs Ketten-Spieler gesagt und auch viele DSA-Veteranen. Das haben wir alles mit berücksichtigt in der Entwicklung des zweiten Teils. Und wir hoffen, dass es jetzt auch das noch stärker ist, was die DSA-Spieler sehen wollen und unsere Adventure-Freunde.
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Memoria baut ja auf Satinavs Ketten auf. Können sich da Neueinsteiger jetzt zurechtfinden?
Kevin:
Das war für mich persönlich die größte Herausforderung, die Geschichte so anzulegen, dass zum einen Gerons Geschichte weiter erzählt wird, aber man nicht die Vorgeschichte gespielt haben muss, um die neue Geschichte zu verstehen. Wir haben das dann auch testen lassen von Fokusgruppentestern. Da waren manche dabei, die haben Satinavs Ketten gespielt, da waren manche dabei, die waren DSA-Kenner. Es gab auch manche Leute, die hatten zuvor noch nie ein Adventure gespielt. Und alle konnten der Geschichte folgen, alle fanden es gut. Es gab nur den lustigen Effekt, dass Leute, die Satinavs Ketten gespielt hatten, der festen Überzeugung waren, dass nur sie die Geschichte von Memoria verstanden hatten. Und dann hatten wir Leute, die DSA-Kenner waren und meinten, dass nur sie als DSA-Kenner die Geschichte verstehen konnten. Und sie glaubten nicht, dass andere das auch so könnten. Dann hatten wir Leute, die Professor Leighton-Spieler waren, die DSA überhaupt nicht kannten und nicht wussten, was das alles ist, und trotzdem dem Ganzen folgen konnten und die anderen nicht verstehen konnten, warum die das behaupteten. Je nachdem, was man für einen Hintergrund hat ist es für jeden ein etwas anderes Spiel, aber jeder kann was damit anfangen.
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Wie entstehen bei euch eigentlich die Charaktere? Mit Heldenbögen oder eher wie in Romanen?
Kevin:
Tatsächlich machen wir eher es so, wie man klassisch Charaktere und Geschichten entwickelt. Ein Adventure-Held zeichnet sich jetzt nicht durch seine Stärke aus, oder durch seine Fingerfertigkeit, auch wenn es zum Teil einfließt. Aber im Endeffekt sind Adventure-Helden die, die gut Probleme lösen können. Intelligente Leute. Tatsächlich könnten es Charaktere seine, die niedrigere Level haben, aber einfach sehr intelligent sind. Wir machen es einfach so, dass wir interessante Charaktere entwickeln, bei denen es glaubwürdig ist, dass sie diese Hindernisse so überwinden, wie sie sie überwinden. Wir machen uns oft einen Spaß daraus, es im Nachhinein in Werte zu verwandeln, um zu schauen, was das überhaupt für eine Figur ist. Wie wäre der in DSA? Gerade unsere Collector's Editions haben oft noch so kleine Charakter-Karten dabei liegen, wie zum Beispiel bei Satinavs Ketten, wo es noch die Hauptcharaktere auf Karten gab. Memoria hat das auch. Da ist dann noch mal alles so in Werte aufgesplittet. Und wir überlegen uns dann auch noch mal, was die so für Spezialtalente haben könnten, die im Spiel dann zum Tragen kommen. Wir machen das eher sozusagen rückwärts.
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Welche Geschichten eignen sich für Adventures?
Kevin:
In dem Fall von Memoria ist die Geschichte tatsächlich wie ein Rätsel strukturiert. Adventures sind Spiele, in denen du Rätsel löst, insofern beginnt auch das Spiel, indem dir ein Rätsel vorgesetzt wird. Man kann es tatsächlich schon von Anfang an lösen, aber bis jetzt hat es noch keiner gelöst. Ganz am Schluss kommt die Auflösung für dieses Rätsel. Alles, was dazwischen an Story-Fragmenten kommt, sind Hinweise auf die Lösung. Die Frage ist: Was ist mit Prinzessin Sadja passiert, die in die Gorische Wüste in die Schlacht gezogen ist und von der man nie wieder gehört hat? Das ist das Rätsel. Und im ganzen Spiel gibt es entweder Hinweise darauf, was mit ihr passiert sein könnte, oder aber eine falsche Fährte. So dass der Spieler ständig in seinem Kopf damit beschäftigt ist, die Story selbst zusammenzusetzen und quasi wie ein Rätsel zu vervollständigen. Ganz zum Schluss kommt dann das Gesamtbild, wo man dann sehen kann, wie alles zusammen hängt.
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Wo kriegt ihr eure Anregungen für die Geschichte her?
Kevin:
In diesem Fall war es so, dass Tilman Schanen, der die Story vom ersten Teil geschrieben hat, den Entwurf geschrieben hat, der eben diese zwei Geschichten erzählt. Einmal war das Gerons Geschichte – der Held vom ersten Teil – der im Andergast der Gegenwart herausfinden muss, was 500 Jahre zuvor in einer anderen Geschichte passiert ist. In seinem alten Entwurf war es so, dass Sadja keine Prinzessin war, sie war die Tochter von einem Adeligen, der auch irgendwie mit dieser Schlacht in der Gorischen Wüste zusammenhängt. Aber es war eine völlig andere Geschichte. Und in seinem Entwurf war der Clou am Schluss, dass die Geschichte von Sadja eigentlich gar nicht wirklich passiert ist, aber dass es irgendwie etwas über Gerons Gegenwart erzählt. Und das habe ich dann verändert, weil ich nicht wollte, dass der Spieler etwas spielt, was nicht wahr ist. Ich wollte, dass von Anfang wirklich klar ist, dass Sadjas Geschichte wirklich passiert ist. Und ich habe auch den Fokus viel stärker auf Sadja gelegt als auf Geron, damit Neueinsteiger auch wirklich diese Sadja-Figur haben, die eine völlig neue Figur ist, mit der sie dann neu und frisch einsteigen können. Und alle weiteren Anregungen kamen dann daher, dass ich einfach wochenlang DSA-Regelwerke gewälzt habe. Erstmal herausfinden musste, in welcher Location das spielt, dann kam Drakonia, dann kam das Gebirge des Rashdulwalls, dann kam Fasar – eine orientalische Stadt – worunter ganz viele Kerker sind. Und dann habe ich ganz viel recherchiert und überlegt, wie ich das Material umwandeln kann und für das Adventure fruchtbar machen kann. So kam dann eines zum anderen. Das ist das, was ich am Anfang meinte. Du nimmst halt Material und wandelst es in was Neues um. Und genau das macht richtig viel Spaß.
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Wie entstehen die Rätsel? Wie denkt ihr euch soetwas aus?
Kevin:
Bei mir steht zuerst die Geschichte. Ich habe immer erst die Geschichte. Wobei, während ich die Geschichte entwickle, habe ich auch immer Hinterkopf, ob dieser Moment in der Geschichte auch etwas ist, der sich in einen interaktiven Moment verwandeln lässt. Also dass der Spieler irgendetwas tun muss, bevor die Geschichte weiter geht. Ob die Rätsel, die er löst, irgendetwas über die Charaktere erzählen können und über die Geschichte. Und dann im nächsten Moment überlege ich, wie konkret das aussehen kann. Ich mag es, wenn es sehr abwechslungsreich ist. Nicht, dass du Gegenstände nimmst, mit denen du etwas machst und es läuft die ganze Zeit so weiter. Ich schaue, dass du in dem einen Moment ein Inventar-Rätsel hast, im nächsten Moment kommt vielleicht ein Dialog-Rätsel und im nächsten Moment kommt etwas völlig anderes. Zum Beispiel wo du mit Magie irgendetwas Cleveres machen musst. Dann kommt vielleicht ein Labyrinth, wo du dich zurechtfinden musst. Dann kommt wieder ein größerer Story-Teil, wo du dann durch deine Antworten ein bisschen beeinflussen kannst, wie die Charaktere zu dir stehen, so dass es halt immer abwechslungsreich bleibt, aber auch immer zu der Geschichte passt. Wie man dann tatsächlich auf eine konkrete Idee kommt, kann ich selbst nicht sagen, man sitzt teilweise wochenlang da und hat keine Idee und manchmal hast du ein komplettes Kapitel innerhalb von zehn Minuten. Es ist ein bisschen Glück, aber ganz viel Intuition, dass du weißt, wo du hin willst.
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Wie erklärt ihr euch, dass es momentan relativ viele Spiele gibt, die im DSA-Universum spielen?
Kevin:
Das hat uns selbst sehr überrascht. Als wir Satinavs Ketten herausgebracht haben, gab es noch nicht so viel und jetzt 2013 geht es auf einmal ganz schnell. Meine Vermutung ist, dass einfach viele Leute, die mit DSA groß geworden sind, jetzt langsam so ins Alter kommen, wo sie selbst an solchen Spielen arbeiten können. Oder die Erfahrung schon haben, so etwas machen zu können und das jetzt einfach nutzen. Das ist meiner Meinung nach auch der gleiche Grund, weswegen gerade wieder so viele Adventures produziert werden, weil viele Leute als sie so 8, 12 oder 14 Jahre alt waren, noch zur Schule gegangen sind, viele Adventures gespielt haben. Dann gab es die Adventures nicht mehr. Und irgendwann kamen diese Leute dann in die Position, dass sie plötzlich selbst Spiele machen konnten. Und genau das wollten sie dann machen. Das, was sie halt lieben. Das wird bei DSA nicht anders sein.
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Warum habt ihr euch dieses Mal gegen eine Steam-Anbindung entschieden? Wie kam es dazu?
Kevin:
Tatsächlich war das nie unsere Entscheidung. Das ist immer Sache des Publishers. Der Publisher investiert das Geld in das Produkt und will dann eben dementsprechend auch seine Interessen wahrnehmen, wenn das Spiel raus kommt und sichergehen, dass es nicht vervielfältigt wird. In diesem Fall hatte Deep Silver (unser Publisher) damals entschieden, die Steam-Anbindung zu machen. Wir haben sehr viel schlechtes Feedback dafür gekriegt. Viele Leute mochten das nicht. Und das ist jetzt natürlich auch der Hauptgrund, weswegen wir das jetzt nicht mehr machen. Und die Leute haben sich auch sehr gefreut, als dann die Pressemitteilung herausging, die besagte, dass es keine Steam-Anbindung gibt. Ihr könnt es kaufen, ihr könnt es sofort installieren.
DSA-Drakensang.de
Möchtes du den Leuten noch was mit auf den Weg geben?
Kevin:
Ich kann nur allen, die das Spiel spielen wollen, viel Spaß dabei wünschen, ich bin selbst persönlich sehr stolz darauf, wie es geworden ist. Ich bin sehr gespannt darauf, wie es dir Leute aufnehmen werden. Es sind erste Reviews jetzt rausgekommen, aber was am Ende die Spieler selbst sagen, weiß ich natürlich noch nicht. Wenn ihr es gespielt habt, tragt es weiter, erzählt es in den Foren, die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass ich es lesen werde und ich werde alles berücksichtigen, was ich berücksichtigen kann.
Vielen Dank!