Review - Satinavs Ketten
Datum: 08.07.2012

Satinavs KettenWer reitet so spät durch Nacht und Wind? Es ist der Geron mit dem Nuri-Kind!


Wie lange musste der geneigte Liebhaber der Welt des Schwarzen Auges auf ein neues Abenteuer im virtuellen Gewand warten? Geschlagene zwei Jahre ist es her, dass „Drakensang: Am Fluss der Zeit“ zumindest in Spielerkreisen für Furore sorgte, auch wenn der kommerzielle Erfolg leider und völlig unverdientermaßen ausblieb. Zwischendurch wurden wir immer wieder von Demonicon-News und Vorstößen des Online-DSA-Games Herokon in kleinen Dosen gefüttert. Aber das Verlangen endlich wieder ein virtuelles DSA-Abenteuer spielen zu können, wurde erst jetzt wieder befriedigt. Das Adventure „Satinavs Ketten“ erblickte das Licht der öffentliche Verkaufsräume und hat bereits zu Anfang kommerziell eingeschlagen. Steam-Pflicht, geringe Spielzeit und wenig flüssige Animationen sind die bisherigen Hauptkritikpunkte der Spielergemeinschaft an dem Game aus dem Hause „Daedalic“ mit den beiden Protagonisten Geron, dem Vogelfänger und Nuri, der Fee.

Wir haben uns aufgemacht, ein virtuelles Abenteuer in Andergast erlebt, es unter die Lupe genommen und liefern euch nun unsere Eindrücke und Spielerlebnisse. Und wir werden versuchen, euch die Tür zu öffnen, die euch hoffentlich voller Neugier und Abenteuerdrang nach Aventurien führen wird.


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Das Schwarze Auge, eine traumhafte Welt der klassischen Fantasy

Es ist manchmal schwer Menschen, die noch nie etwas von „Das Schwarze Auge“ gehört haben, die Faszination, die sich um das kultige Pen&-Paper-Spiel mit zwanzig- und sechsseitigem Würfel entspinnt, näher zu bringen. Zu komplex wirkt, die Welt, zu oft wird von Kennern korrigierend eingegriffen, wenn sich jemand mal in seiner Unkenntnis vorwagt und traut einfach gepflegt Rolle in der DSA-Welt zu zocken.

Es ist leider aber so, dass die Welt tatsächlich sehr komplex ist. Sind jedoch einige (leider nicht so) wenige Grundprinzipien begriffen, ist meist, schon ein großer Schritt in Richtung Fan-Werdung getan, denn das passiert sehr schnell.

Es gibt zwölf Götter im DSA. Alle stehen für unterschiedliche Prinzipien, haben Namen, wie Praios, Boron oder Rahja, die mit der Welt selbst stark assoziiert werden und deshalb für jeden Kenner auf Dauer auswendig gelernt gehören. Mit dem Namenlosen gibt es einen Quasi-Dreizehnten-Gott, der natürlich ein böses Pendant zu den „Zwölfen“ bildet und für solch Prinzipien, wie Selbstsucht, Heimtücke und Selbstverstümmelung steht. Warum dies alles so angelegt ist, kann in den Regelwerken den „Wege der/des…-Bänden“ von Ulisses nachgelesen werden und wenn die Bände einmal studiert wurden, wird schnell klar: Auf Aventurien glauben gar nicht alle an die Zwölfgötter, außerdem gibt es Halbgötter und überhaupt hat Kaiser Silam-Horas anno Zopf einfach im Silam-Horas-Edikt festgelegt, dass es Zwölf Götter sind. Es könnten auch viel mehr oder auch weniger sein.

So wird in den Tulamidenlanden, dem Südreich Aventuriens, an den Eingott Rastullah geglaubt, ganz tief im Süden - einem dekadenten Sündenpfuhl namens Al Anfa - wird nicht Praios, der Gott des Lichts, der Sonne und des Rechts als erster Gott verehrt, sondern Boron, der Gott des Schlafes und auch des Todes. Auf der Insel Maraskan „glauben“ die Einwohner an die Zwillingsbrüder Rur und Gror, wobei der eine dem anderen eine Scheibe als Geschenk zuwirft und diese Scheibe, ist Dere, der Ort, auf dem sich auch der Kontinent Aventurien befindet.

Aber gibt es jetzt im Tulamiden-, also im Südreich nur Rastullah-Gläubige? Oder kann nicht zum Beispiel in Al Anfa jemand Praios heimlich als ersten unter den Göttern verehren? Die Antwort ist glasklar: Genauso ist es. Überall kann es Ausnahmen geben und es ist wirklich nur eine explizite Aussage aus einem der Regelwerke die Grenze. Und da ist auch schon ein Einblick in die Komplexität des DSA gewährt.

Sicherlich könnten jetzt noch sehr viele andere Sachen aufgezählt werden, die für das Verständnis dieser Faszination der Welt des Schwarzen Auges mehr als hilfreich sind. Doch darauf sei an anderer Stelle mehr eingegangen, nun zu „Satinavs Ketten“. Wie gut passt diese Geschichte, diese melancholische Schauermär von Geron und Nuri mit dem aventurischen Setting zusammen?


Wunderschöne Hintergründe, ein traumhaftes Setting

Du spielst Geron. Einen Vogelfänger über den ein finsterer Seher auf dem Scheiterhaufen eine unheilvolle Prophezeiung gesprochen hat und deswegen in dem kleinen Königreich Andergast, einem eher provinziellen Nest mit dreckig-mittelalterlichem Touch, von beinahe jedem gemieden und gehasst wirst. Eine Ausnahme ist Dein Ziehvater Gwinnling, der Tierausstopfer und Fallensteller, bei dem Du lebst und der Dir auch sein Handwerk beigebracht hat. Ansonsten wirst Du gleich zu Anfang erst einmal mit dem Gesicht in Schlamm getaucht. Bekommst nebenbei den Umgang mit Deiner magischen Fähigkeit kleine, nicht-organische Dinge kaputt machen zu können, beigebracht und sollst eine Stadtqueste lösen, um vom König dafür geehrt werden zu können.


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Was sofort ins Auge springt, sind die wirklich traumhaft schön gemalten Hintergründe, eine Bindung zur Welt, heißt sie nun Aventurien oder Fantasien entsteht wegen der wirklich außerordentlich hübschen Ästhetik sehr schnell, sodass Du geschwind in die Spielwelt hineingezogen wirst. Bei den Dialogen wird Dir die Möglichkeit geboten, Geron teilweise unterschiedlich antworten zu lassen. Einen Einfluss haben diese Entscheidungen, leider nicht auf den Verlauf der Handlung, dennoch funktioniert der Schein ganz gut und trägt viel zum allgemein angenehmen Spielgefühl bei. Es dauert nicht lange, da triffst Du mit Geron Nuri, eine Fee, die Du Deinem Ziehvater bringen sollst, weil sich in Andergast Schreckliches anbahnt und sie bei diesen Ereignissen eine Schlüsselrolle einnimmt, verlangt er sogar Abscheuliches von Dir, um Schlimmeres zu vermeiden. Dort deutet sich schon die stark vordergründige Tragik an, die sich durch die ganze Geschichte zieht.

Nuri ist ein völlig naives, kindliches Zauberwesen in der Gestalt einer jungen Frau, die aber nicht so viel zaubern kann, weil sie nicht in ihrer Welt ist, wohin sie aber auch nicht zurückwill. Sie besitzt die Fähigkeit Dinge, die kaputt sind wieder ganz zu machen, aber natürlich nur, wenn alle Teile beisammen sind. Was sich dort zwischen Nuri und Geron entspinnt ist wirklich ein herzzerreißendes Märchen, das trotz all der schweren Melancholie und solch leichten Ärgernissen, wie, dass Du etwa mit Geron ab einer gewissen Stelle gezwungen bist Nuri anzulügen, damit es weitergeht, wirklich rührt und schwelgend mit einer kleinen Träne im Auge zurücklässt.


Das Spiel bekommst Du nur über Steam

Ob das mit einem „Leider“ verbunden ist, weil Programme, die Du auf Deinem Rechner hast und die Online gehen, immer die Möglichkeit haben Daten von Deinem Rechner zu holen, ohne, dass Du es mitbekommst, sei mal dahingestellt. Oder, weil Du Dein Spiel nicht verkaufen kannst? Oder weil Du Steam einfach so nicht leiden kannst, weil es Dir einfach etwas aufzwingt, was Du nicht willst und was früher auch nicht sein musste, um ein Adventure spielen zu können?

Daedalic begründete diesen Schritt damit, dass sie wettbewerbsfähig bleiben müssen und der Erfolg scheint ihnen erst mal Recht zu geben. Kommerziell gilt „Satinavs Ketten“ kurz nach dem Verkaufsstart schon als Erfolg und lässt damit auf weitere DSA-Adventure aus dem Hause Daedalic hoffen. Dennoch sei an dieser Stelle auch eine Lanze für das Hamburger Unternehmen gebrochen. Sie sind wirklich eine sympathische Truppe, die um ihre Existenz Angst haben und versuchen ihr Projekt zu schützen. Der Übergang zwischen leidenschaftlichen Enthusiasmus und bitterkaltem und blanken Realismus ist sicherlich, gerade in der Gaming-Branche oft fließend. Es ist wirklich schade, dass dieses „Satinavs Ketten“ mitunter boykottiert wird, weil das Spiel selbst es, gerade wegen seine liebevolle Machart, nicht verdient hat, auch wenn die Vorbehalte vieler Spieler, die Abneigungen gegen die Valve-Plattform „Steam“ haben, nicht wirklich immer wie an den Haaren herbeigezogen klingen.


Karge Animationen, spärlicher Hintergrundsounds und wenig knackige Rätsel

Satinavs Ketten hat aber, abseits von Steam, Schwächen im Spiel selbst, die das Spielvergnügen schmälern, aber nicht verderben. Die Bewegungsanimationen der Charakter sind zwar extra schematisch im wirklich schmucken Bilderbuchstil gehalten, dennoch wirken sie doch sehr sparsam eingesetzt und fordern Dir anfangs sicherlich einiges an Eingewöhnung ab. Schweine grunzen im Spiel nicht, kein Jahrmarktsgetuschel und überhaupt soundtechnisch fällt zwar eine wiedermal zauberhaft schöne Hintergrundmusik auf, die wirklich zum Träumen einlädt, aber was die Sounds für die Welt im Hintergrund angeht, wurde leider etwas gegeizt. Die Rätsel sind wirklich nicht schwer, das Spiel ist mindestens an zwei Tagen, allerspätestens am Dritten durchgespielt, der Wiederspielwert beschränkt sich wohl auf einen Mindestrhythmus von einem Jahr, da das Spieldesign ein geschickt ausgestalteter Schlauch ist, durch den Du Geron führen musst.

Alles in allem hat Daedalic trotz der eklatanten Schwächen seine Sache ordentlich gemacht, das Potenzial zu viel mehr ist jedoch deutlich sichtbar. Durch Nuri wird eine Menge Humor in das Spiel reingebracht, einige Rätsel sind wirklich witzig, es gibt Anspielungen an die Gemälde Eschers, bei etwas mehr Fantasie auch an die surrealen Werke Dalis. Die Reisepassage mit Nuri und Geron hat schon etwas Episches und macht Lust auf große Abenteuer, die am Lagerfeuer auf einer Lichtung im Wald besungen werden. Es ist zu sehr zu hoffen, dass Daedalic an diesen Macken und Leerstellen arbeitet und es in Nachfolge-Spiel schafft die DSA-Welt noch mehr mit dem spritzigen Charme ihrer Hausmarken „Deponia“ oder etwa auch „Edna bricht aus“ zu verknüpfen.


Rette die Fee! Rette die Welt! Rette Andergast!

Was klingt, wie die DSA-Variante der US-TV-Serie „Heroes“ könnte ein passender Spruch für „Satinavs Ketten“ sein. Die Motivation ist schnell klar und die Sympathien schnell hergestellt. Die vielen Bezüge zur DSA-Welt sind sehr geschickt eingestreut und sollten aber auch für Anfänger und Einsteiger nicht zu viel sein. Aus Regelwerken bekannte Orte, die bisher nur auf 2-Dimensionalen Karten, in Textabschnitten und eben als Rollenspieler beim Spielen begutachten werden konnten, wie etwa der kleine Fischerort Enqui oder eben Andergast sind ähnlich wie bei den Drakensang-Spielen gut getroffen und setzen sich als interessante Impression fest.


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Anfänger bekommen so einen wirklich wunderschönen visuellen Einstieg in ein Kleinod der aventurischen Karte mit viel Spannung, viel Dramatik und wahren Heldentaten, aber auch bitteren Lehren fürs Leben in einer fantastischen Welt. Feentore funktionieren nur in eine Richtung. Es gibt Wesen, die nur aus Nase, Muschel und zwei winzigen Beinen bestehen. Manchmal musst Du lügen, um das Richtige zu tun. Und noch viele Weisheiten mehr. Du wirst praktisch mit Geron zusammen zum Helden, lernst mit ihm gemeinsam mit der Feindseligkeit, die Dir entgegengebracht wird umzugehen, entwickelst ein starkes Verantwortungsgefühl für Nuri und der Stadt Andergast gegenüber und das obwohl Du dort gehasst wirst. Es ist Deine Heimat und nur Du bist in der Lage die finsteren Prophezeiungen des Sehers nicht wahr werden zu lassen.


Mehr! Viel mehr davon!

Kaum ist Satinavs Ketten durchgespielt, willst du, dass es weitergeht. Gerade hast Du Dich an Spielmechanik und Eigenheiten gewöhnt, da ist der Vorhang auch schon wieder gefallen. Natürlich bleiben auch die Schwächen deutlich hängen. Schon in den 90ern hatte es „Lucas Art’s“ beispielsweise mit „Indiana Jones 4 – Fate of Atlantis“ geschafft, mehrere Lösungswege, die den Spielverlauf auch erkennbar modifizieren, einzubauen und so dem Spieler tatsächliche Wahlmöglichkeiten im Spiel gegeben. Nun ist der Erfolg mit einem gut 20 Jahre alten Game, dass damals Maßstäbe im Bereich Adventures setzte etwas unfair, da Herr Lucas auf der Skywalker Ranch sicherlich auch ganz andere Mittel hatte, um sein Spiel zu produzieren. Dennoch bleibt der Eindruck, das mehr drin gewesen wäre. Sowohl bei der Technik, als auch im Spieldesign selbst. Wäre da nicht wirklich diese mitreißende und rührende Geschichte mit diesen atemberaubenden schön gezeichneten Hintergründen und Details und der nötigen Portion Witz und auch Ironie, gäbe es sicherlich zu viele kleine Ärgernisse um das Spiel wirklich als gut zu bezeichnen. So jedoch bleibt ein sehr ambitioniertes DSA-Spiel, das zeitweise begeistert und Lust auf mehr macht, zeitweise aber auch seine Längen hat. Mit den buntesten aller Farben bemalt und mit einer gut ausgewogenen Dosierung Zuckerguss für den richtigen märchenhaften Touch verfeinert, schafft es „Satinavs Ketten“ langsam ans Herz zu wachsen. Als DSA-Fan ist es ein Muss! Als Adventure-Liebhaber sicherlich ein interessanter Genre-Vertreter.

geschrieben von hangingtree