Die Idee hinter „Am Fluss der Zeit“ oder Ein Schritt nach vorne in die Vergangenheit
„Am Fluss der Zeit“ heißt unser neues Computerrollenspiel aus dem DSA-Kosmos – der offizielle Nachfolger von „Drakensang“. Im ersten von insgesamt 15 Entwicklertagebüchern wollen wir über die Idee hinter dem Spiel sprechen. Außerdem stellen wir euch unser kreatives Mastermind Bernd Beyreuther vor, der zugleich Geschäftsführer von Radon Labs ist.
Lange Zeit suchten wir nach einem passenden Titel für unser Spiel. Intern riefen wir sogar einen kleinen Wettbewerb aus, der zu allerlei witzigen und skurrilen Vorschlägen führte. Am Ende tauften wir es „Am Fluss der Zeit“. ,Warum dieser ungewöhnliche, ja beinahe philosophische Name?’, mag sich der eine oder andere fragen. Die Antwort darauf ist einfach. Ein Fluss spielt eine große Rolle. Und auch die Zeit. Denn das Spiel führt in die Vergangenheit – genau genommen in die Zeit 23 Jahre vor „Drakensang“.
Da stellt sich natürlich nun die Frage, was uns dazu veranlasst, das Spiel vor und nicht nach „Drakensang“ anzusetzen. Hier fällt die Antwort schon etwas komplexer aus. Aber der Reihe nach: Die Geschichte in „Drakensang“ war nicht auf Fortsetzung konzipiert. Sie war sehr episch. Darum wäre es schwer gewesen, in einem Nachfolger ein noch größeres Abenteuer zu erzählen. Bei „Drakensang“ hatten wir aber schon entdeckt, dass die Faszination gerade in den kleinen Geschichten liegt. Die wirken die wesentlich lebendiger und persönlicher. Je mehr wir aber in die Epik gegangen wären, umso mehr hätten wir die kleinen Figuren vernachlässigen müssen.
Hier zeigt sich klar und deutlich, worauf es uns bei einem guten Fantasy-Rollenspiel ankommt: auf starke Charaktere und eine gut ausgearbeitete Story. Sie sind nicht nur Anhängsel, nicht nur Trägermittel, sondern Teil des Gameplays. Hier schöpfen wir die Möglichkeiten des Rollenspiels voll aus. Dieses Genre bietet wie kein anderes die Möglichkeit, dichte und spannende Geschichten zu erzählen.
Aber wir haben noch einen weiteren Grund, einen etwas emotionaleren. Überall, z.B. in diversen Fernsehshows, wird das Gefühl der Vergangenheit, der Jugend und Kindheit beschworen. Und dieses Sehnsuchtsgefühl findet man auch in der Rollenspielszene. Es gab eine goldene DSA-Zeit, ebenfalls etwa vor 20 Jahren. Damals spielten sehr viele Menschen die klassischen Pen & Paper-Rollenspiele. Und genau diese Leute sind es auch, die jetzt „Drakensang“ spielen. Aus dieser Zeit stammen die berühmten Abenteuer wie die Phileasson-Saga von Bernhard Hennen. Sie zählt nach wie vor zu den beliebtesten Kampagnen und wird inzwischen schon zum dritten Mal aufgelegt. In dieser Saga drückt sich das DSA-Typische am stärksten aus. Und danach sehnen sich die Leute.
Soweit zu unserer Vision. Bis zum ersten Spatenstich an „Am Fluss der Zeit“ war es allerdings ein langer und beschwerlicher Weg. Die Entwicklung des ersten Teils war ein gewaltiger Kraftakt. Von unserer Seite, aber auch von Seiten des Publishers. Nicht alles ist uns so gelungen, wie wir es uns vorgestellt hatten. Auch war die Unsicherheit groß, ob und wie das Spiel ankommen würde. Doch durch den großen Erfolg von „Drakensang“ konnten wir umgehend damit anfangen, weiter zu produzieren. Diesmal mit bewährten, stabilen technischen und organisatorischen Grundlagen. Zudem zeigte uns eine präzise Auswertung, was wir gut und was wir weniger gut gemacht hatten. Und das konnten wir nun gezielt angehen.
Aber wer entscheidet, was gut und was weniger gut ist? Großes Gewicht hat hier das Urteil und Feedback der DSA-Community. Bei „Drakensang“ war das noch mit etwas Angst verbunden. Niemand konnte so recht abschätzen, ob wir den Nerv getroffen und die Sachen richtig umgesetzt hatten. Wir mussten uns deshalb stark auf unsere Intuition verlassen. Dies war allerdings nicht das Schlechteste, denn ein großer Teil von uns besteht selbst aus begeisterten DSA-Fans und Rollenspielern.
Auch Bernd gehört zu denjenigen, die mit dem DSA-Virus unheilbar infiziert sind. Seitdem er 1990 zum ersten Mal mit „Das Schwarze Auge“ in Berührung kam, kehrt er immer wieder nach Aventurien zurück und erkundet die Gegenden zwischen Al’Anfa und Thorwal, zwischen Havena und Tuzak. In einem Zeitraum von vielen, vielen Jahren und gemeinsam mit Freunden, die heute selbst Teil von Radon Labs sind, mauserte sich Bernd von einem blutigen Anfänger zu einem erfahrenen Meister. Von diesem geballten Wissen profitieren natürlich wir alle bei der Entwicklung von „Am Fluss der Zeit“.
Regelmäßig suchen wir den Kontakt zur Community auf der RatCon. Dort berichtet Bernd über das aktuelle Projekt und beantwortet Fragen zu unserer Arbeit. Dabei kann es schon mal vorkommen, dass selbst unser Spiritus Rector in Not gerät und er auf die Hilfe der Götter angewiesen ist. So geschehen, als er nach einem Vortrag mit Fragen nach dem Regelwerk gelöchert wurde. Bei dieser Gelegenheit rächte es sich etwas, dass er als Meister spannenden und lebendigen Geschichten immer den Vorzug gegeben hat. Doch die Götter waren ihm hold. Denn die Leute, die ihn gerade noch ins Schwitzen gebracht hatten, kamen nach seinem Vortrag an die Bühne und sprachen ihm begeistert zu: Dass es neben den Regeln wichtig ist, die Atmosphäre zu treffen. Und dass wir genau die richtigen für den Job sind.
Selbstredend hören wir auf die Community. Darum wird es bei „Am Fluss der Zeit“ zahlreiche Verbesserungen gegenüber „Drakensang“ geben. Die Geschichte wird mehr verdichtet, die Beziehungen zwischen den Charakteren stärker herausgearbeitet. Auch in technischer Hinsicht erwarten den Spieler Neuerungen und Verbesserungen. Beispielsweise sollen die von der Community häufig bemängelten zu langen Laufwege kürzer und die Bedienung der Kamera einfacher und intuitiver werden. Außerdem findet eine Komplettvertonung der Charaktere statt. Damit tragen wir der Kritik an der Teilvertonung in „Drakensang“ Rechnung. Zudem können die Charaktere flexibler gestaltet werden. Und es wird ein modularer Baukasten mit den neuen Vor- und Nachteilen der vierten DSA-Edition Regeln in die Charaktergenerierung eingebaut.
So begleitet uns die Community beständig auf unserem Weg am Fluss der Zeit entlang.
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